Kategorie-Archiv: Reisen & Outdoor

Keimzellen für wildes Leben – Naturschätze im Centro de Portugal

Flapp, flapp, flapp. Auf und ab schlagen die Schwingen und tragen den Purpurreiher über das Wasser. Sein sonst so langer Hals ist zu einem S aufgebogen, die Beine mit den großen Klauen sind weit nach hinten gereckt. Er ist etwas kleiner als der verwandte Graureiher, dafür schimmern Flügel und Rumpf zwischen dunkelgrau und bräunlich-violett in der Sonne. Ein prächtiger Anblick.

Die Szene trägt sich zu über der Ria de Aveiro, einem Feuchtgebiet an der Westküste Portugals. Mit rund 150 Brutpaaren zählt sie zu den nationalen Hot-Spots des Garça-vermelha, wie der Purpurreiher in der Landessprache heißt. Die Ria liegt eine Autostunde südlich von Porto, dort, wo der Fluss Vougo und der Atlantik aufeinanderstoßen. Ozean und Flusswasser, aber auch die ansässigen Menschen haben hier über Jahrhunderte ein Patchwork aus Lagune, Delta und Agrarland ausmodelliert.

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Feuchtwiesen, Äcker und der Einfluss der Gezeiten: Die Ria de Aveiro, im Hintergrund die Ausläufer der Serra da Estrela

„Dank all dieser Nischen ist die Ria für viele Tier- und Pflanzenarten unheimlich wichtig“, sagt Eduardo Mendes, der für das örtliche Umweltbildungs- und Naturtourismusprojekt BioRia arbeitet. Die Purpurreiher, aber auch Rohrweihe, Teich- oder Drosselrohrsänger fänden in den großen Schilfflächen ungestörte Nistplätze. Direkt nebenan wiederum sei auf den Wiesen, den kleinen Äckern und den Verlandungszonen der Tisch reich gedeckt. „Für sie ist das quasi ein Bed and Breakfast“.

Auch der seltene Gleitaar lässt sich an diesem Vormittag blicken, an den größeren offenen Wasserflächen sind Fischadler und Seidenreiher unterwegs – und zwei Dutzend Rosaflamingos. Aufgeschreckt schweben sie über den Wellenkämmen davon und landen in sicherer Entfernung, um mit ihren Schnäbeln erneut Kleinkrebse und Weichtiere aus dem Flachwasser zu filtern.

Unzählige Watvögel von Kampfläufern bis zu den Knutts schätzen die Ria ebenfalls als Überwinterungs- und Durchzugsgebiet. Nicht von ungefähr sind gut 50.000 Hektar ihrer Fläche als Special Protected Area (SPA) nach der EU-Vogelschutzrichtlinie ausgewiesen. Zudem leben hier unzählige Pflanzengesellschaften sowie viele Amphibien, Reptilien und mehr als 30 Säugetierarten.

Eine davon ist der Fischotter. „Hier war er“, sagt Eduardo und zeigt am Ufer eines Kanals auf ein vertrocknetes Kothäufchen. Es ist gespickt mit Panzerresten des Roten Amerikanischen Sumpfkrebs, einer aus Nordamerika eingeschleppten Art, die Bauern wie Naturschützern Sorgenfalten auf die Stirn treibt: Die Krebse bevölkern insbesondere die Reisfelder, wo ihr Bausystem den Pflanzen das Wasser abgräbt. Zudem räubern sie in den Fisch- und Amphibienbeständen. Glücklicherweise schmecken sie nicht nur dem Otter, sondern auch den Purpurreihern und den ebenfalls zahlreichen Weißstörchen. „Insofern profitiert die Ria wenigstens ein bisschen von ihnen“, meint Eduardo zweckoptimistisch.

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Auf der Hut: Rosa-Flamingos in der Ria de Aveiro

Auch an anderer Stelle droht dem Feuchtgebiet Ungemach. Ein Problem sei, erzählt Eduardo, dass sich der bislang eher kleinteilige Maisanbau immer mehr ausdehne. Zudem sollen demnächst viele Flächen eingedeicht werden, um sie besser bewirtschaften zu können. „Dadurch würden wertvolle Habitate verloren gehen.“ Doch der junge Biologe gibt die Hoffnung nicht auf: Viele Ortsansässige und Schulklassen kämen in die Ria, um das Infozentrum zu besuchen oder eine Wanderung zu unternehmen. „Ich bin überzeugt, dass diese Erfahrungen das Band zur Ria stärken – wovon letztlich auch ihr Schutz profitiert.“

Rund drei Autostunden nordöstlich der Ria, direkt an der Grenze zu Spanien, befindet sich eine weitere Perle unter Portugals Landschaften: Das Flusstal des Douro. An seinen steilen Hängen werden seit 2000 Jahren köstliche Reben kultiviert, darunter der berühmte Portwein. Zudem gehört das Tal zum Douro Internacional, einem Naturpark, der dem Verlauf des Douro über rund 120 Kilometer folgt und auch das bergige Hinterland umfasst.

Am Himmel darüber zeigen sich gewaltige Silhouetten: Geier! Sie tauchen erstmals rund um den Ribeira de Mosteiro, einen kleinen Zufluss des Douro, auf. Fünf Gänsegeier ziehen hier über schroffen Klippen ausladende Kreise in die Luft. „Sie nutzen die Aufwinde, um Höhe zu gewinnen“, erläutert Fernando Romão. „Anschließend können sie im Gleitflug große Entfernungen zurücklegen und so viel Energie sparen.“

Fernando ist Biologe und als Guide oft im Douro Internacional unterwegs. Zu dessen Tier- und Planzenwelt gehören nicht nur die Geier: Am Lauf des Ribereiro de Mosteiro etwa jagen Vipernattern Iberische Wasserfrösche. Weiter oben im Bergland brummen Wildbienen durch blühende Lavendelwiesen, und aus niedrigem Gestrüpp dringt der Ruf einer Wachtel.

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Bienenumbrummter Lavendel

Am auffälligsten bleiben dennoch die großen Greife. Im Douro Internacional leben schätzungsweise 500 bis 1000 Brutpaare des Gänsegeiers, rund 140 Brutpaare des Schmutzgeiers sowie einige Adlerarten. Besonders hoch ist ihre Dichte am Aussichtspunkt Penedo Durão: Steil fällt dort eine kolossale Gesteinswand hinab, der Blick über den Douro nach Spanien ist atemberaubend. Mehrere Gänse- und Schmutzgeier gleiten im sanften Licht der Abendsonne dahin.

Sie nisten hier nicht zuletzt wegen einer Zufütterungsstation. In grauer Vorzeit, erzählt Fernando, hätten sich die majestätischen Vögel von toten Wildpferden, Auerochsen oder Steinböcken ernährt, mit Ankunft des Menschen dann zunehmend von Viehkadavern. Doch damit sei es schwierig geworden, wegen der EU-Vorschriften in Sachen Tierseuchenhygiene, vor allem aber, weil sich die Region seit den 1940er Jahren entvölkere. „Mit den Menschen geht auch das Vieh, ohne dass es gleichwertigen Ersatz gibt. Deshalb ist Zufütterung für den Erhalt der Geier existenziell.“

Mönchsgeier über dem Penedo Durão

Mönchsgeier über dem Penedo Durão

Tags darauf gibt es eine erneute Begegnung mit den geflügelten Aasfressern. Schauplatz ist diesmal das Reservat Faia Brava, das sich südlich des Douro über 1000 Hektar auf einem Hochplateau erstreckt. Seine Felsmassive und die nahe Schlucht des Coa-Flusses bieten Brutplätze für Gänse- und Schmutzgeier, auch Stein- und Habichtsadler sowie Schwarzstorch sind mit einigen Paaren vertreten.

Überhaupt ist Faia Brava ein hochinteressantes Fleckchen Erde. Schon vor Jahrtausenden streiften Menschen durch das Einzugsgebiet des Reservats, wovon prähistorische Felsgravuren im nahen Coa-Tal Zeugnis ablegen. Später rodeten sie die alten Eichenwälder, um Holz zu gewinnen sowie Getreide anzubauen und Vieh zu weiden.

Mitte des 20. Jahrhunderts setzte jedoch auch hier die Landflucht ein – wodurch Freiräume entstanden sind, in denen nun wieder Flora und Fauna das Zepter übernehmen sollen. An diesem Morgen schimmert die Macchie in Faia Brava blass-golden, darüber erheben sich immer wieder Grüppchen aus Stein- und Korkeichen, die von den Sägen verschont blieben. Unzählige kleinere Vogelarten flattern durch die savannenartige Landschaft oder lassen ihren Gesang erklingen, vom Weiden- und Steinsperling über Wiedehopf, Wendehals und Orpheus-Grasmücke bis hin zu Rotkopf- und Mittelmeer-Raubwürger.

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Halboffene Landschaft in Faia Brava

Marmormolche und Wasserfrösche wiederum haben die glitzernden Teiche des Reservats für sich entdeckt, darüber schwirren Plattbauchlibellen herum. Heimlicher leben die Großsäuger, die ebenfalls nach Faia Brava zurückgekehrt sind, etwa das Rehwild oder der Iberischen Wolfs, der zuweilen durch das Gelände streifen.

Pedro Prata arbeitet daran, dass sich all diese Arten noch mehr Raum erschließen können. „Eine wildere Zukunft für das Größere Coa-Tal“, so lautet die Überschrift des Projekts, das der Biologe koordiniert. Auf 120.000 Hektar soll bis 2024 ein Netzwerk aus Reservaten entstehen, die bis zu den Malcata-Bergen im Süden durch Wanderkorridore miteinander verknüpft sind.

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Das Coa-Tal soll bald Herzstück eines Netzwerks für die Wildnis sein.

Träger des Projekts ist „Rewilding Europe“, eine europaweite Initiative, die auch in den Karpaten, in Lappland oder am deutsch-polnischen Oder-Delta aktiv ist. Die Prämisse der Organisation: Mithilfe artenreicher – und durchaus spektakulärer – Flora und Fauna das Profil ganzer Regionen zu schärfen und damit Naturtourismus sowie andere Kleingewerbe anzukurbeln. Davon sollen Menschen und Landschaften gleichermaßen profitieren: Die einen, weil sie selbst in strukturschwachen Gegenden noch eine Perspektive sehen. Die anderen, weil in ihnen trotz kultureller Einflüsse wieder ausreichend Platz für Wildnis ist.

Auch in Faia Brava wurde dieses Konzept erprobt. „Rewilding Europe“ kooperiert seit längerem mit dem Reservat, das ATN gehört, jener portugiesischen Naturschutzorganisation, deren Chef Pedro einst war. Er kennt Faia Brava daher aus dem Effeff – und will die Erfahrungen nun in größerem Maßstab anwenden.

Eine wesentliche Rolle dabei spielen große Pflanzenfresser. In Faia Brava streifen rund 50 Maronesa-Rinder sowie 20 Garranos-Pferde durch das Reservat. Ohne die Beweidung durch diese beiden alten Nutztierrassen, so Pedro, würde das Areal überwuchert – die Mosaikstruktur und ihre Artenvielfalt gingen verloren. Außerdem steige dann die Gefahr großer Brände, ein Problem, mit dem Portugal immer wieder zu kämpfen hat.

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Garranos-Pferde in Faia Brava

Damit Pferde und Rinder außerhalb Faia Bravas keinen Schaden anrichten, ist das Reservat eingezäunt. Kann sich auf diese Weise tatsächlich so etwas wie Wildnis entwickeln? Faia Brava sei eben ein Testlauf gewesen, sagt Pedro. Im neuen, größeren Projekt soll noch mehr Rehwild als bislang dabei helfen, die Sukzession in Schach zu halten. Außerdem setzen Pedro und seine Mitstreiter darauf, dass sich in den miteinander vernetzten Projektgebieten Wildkaninchen ausbreiten – nicht zuletzt als Beute für den Wolf und den stark gefährdeten Pardelluchs.

Aus dem Zusammenspiel großer und kleiner Pflanzenfresser mit Räubern und Aasfressern wie den Geiern, so Pedros große Hoffnung, solle wieder ein ‚Circle of Life‘ in Gang kommen. „Unser Ziel ist es, natürliche Prozesse anzustoßen, die menschliche Eingriffe auf lange Sicht überflüssig machen.“

Mit aktivem Jagdmanagement sowie Events und Festivals wollen sich Pedro und seine Mitstreiter um Aufklärung und Akzeptanz bemühen – und eben gemäß des „Rewilding Europe“-Konzepts auch wirtschaftliche Anreize setzen. In Faia Brava bieten bereits Guides Touren und Foto-Safaris an, inmitten des Reservats gibt es ein kleines Camp für Übernachtungen, und in der Umgebung vermarkten Bauern und Handwerker ihre Produkte unter dem Label „Faia Brava“.
Zudem könne inzwischen rund ein Drittel der Reservatsfläche komplett sich selbst überlassen werden, erzählt Pedro. Und unlängst wurde in der Nähe tatsächlich endlich wieder ein Pardelluchs gesichtet, höchstwahrscheinlich ein herumstreifendes Exemplar aus dem Süden, wo die Wiederansiedlung der Art läuft.

Für Pedro sind all das Hoffnungszeichen. So wie die zwei kleinen Pünktchen, die hinter dem Ausgangstor von Faia Brava über den Äckern und Dörfern auftauchen. Ein Blick durchs Fernglas – es sind ein Schlangen- und ein Zwergadler! Auch sie bauen ihre Nester wieder in Faia Brava, ohne sich naturgemäß an dessen Grenzen zu halten. Ganz in Pedros Sinne: „Wir wollen, dass wilde Arten in unserer Region wieder freier leben können. Unsere Reservate sollen dafür Keimzellen sein.“

Dieser Text erschien zuerst im NATURGUCKER Magazin #41.

Wilde Welt – Unterwegs im waldigen Westzipfel des Tessins

Dschungel. Dieses Wort schießt immer wieder durch den Kopf, wenn der Blick über diese sagenhaft sattgrün leuchtenden Bergflanken schweift. Steil stürzen sie ab, über Hunderte Meter – dorthin, wo sich der Isorno derart tief ins Gestein geschnitten hat, dass er im dichten Blättergewirr verborgen bleibt.

Valle Onsernone, so heißt dieses geheimnisvolle Ensemble im westlichen Tessin. Obwohl nur ein paar Minuten Autofahrt vom Ufer des Lago Maggiore entfernt, an dessen Ufern das Treiben Locarnos und Asconas braust, wirkt das Tal wie in sich versunken. Lediglich an seinen Nordhängen schimmert, wie Inseln im Wald, eine Handvoll winziger Ortschaften, in denen sich Häuser und Gassen eng aneinander drängen. Ganz so, als müssten sie sich gegenseitig Halt geben, um nicht in die Schlucht zu sacken.

Über der Baumgrenze: Blick auf den Laghetto dei Salei und die bewaldeten Berghänge des West-Tessins

Über der Baumgrenze: Blick auf den Laghetto dei Salei und die bewaldeten Berghänge des West-Tessins

Wer die Einsamkeit sucht, dürfte im Onsernone also fündig werden. So wie Max Frisch, der viele Jahre im Dörfchen Berzona verbrachte. „Außerhalb von allem“ sei man hier, notierte der Schriftsteller, in einem Tal, „waldig wie zur Steinzeit“. Wanderer können es ohne Probleme erkunden: Die Pfade im Onserne und seinen Nachbartälern umfassen gut 230 Kilometer. Das lieblich-sanfte Anlitz der Umgebung sollte nicht darüber hinwegtäuschen dass lockere Spaziergänge eher die Ausnahme sind: Bis auf über 2000 Meter schrauben sich manche Pässe und Berge.

Im vergangenen Sommer bin ich zusammen mit David auf jene Berge und durch jene Täler gekraxelt – und habe dabei erfahren, warum es hier fast menschenleer ist, warum die Verwilderung für manche eine Chance darstellt und wie ein geplanter Nationalpark versucht, mithilfe der Vergangenheit die Zukunft der Region zu meistern. Mehr darüber ist in der aktuellen Ausgabe des outdoor-Magazins nachzulesen. Jetzt am Kiosk…

Dem Wunder auf der Spur – Durchatmen im Thüringer Wald

Hier also soll es sich ereignet haben, das Wunder. Kaum zu glauben eigentlich, so verschlafen wie es in Tambach-Dietharz zugeht. Gut 4000 Einwohner, eine Kirche, ein Kurpark, ein Waldschwimmbad sowie ein paar Gaststätten und Eiscafés – das war es dann auch schon in diesem Nest, das es sich im Schoß des Thüringer Walds zwischen Gotha, Schmalkalden und Ilmenau gemütlich gemacht hat. Und dennoch hat Tambach-Dietharz einen kleinen Platz in der Weltgeschichte. Eben wegen dieses Wunders im Jahr 1537. Und das ging so:

Martin Luther, der große Reformator, weilte in jenen Tagen in besagtem Schmalkalden zu einer wichtigen kirchenpolitischen Tagung, als ihn furchtbare Unterleibschmerzen ereilten. „Der Teufel hasst mich, er hat mich jetzt in seine Klauen gekriegt“, wähnte er sich bereits dem Tode nah. Die Qualen zwangen ihn alsbald zur Abreise in Richtung Tambach, wo er in der Nacht zum 27. Februar urplötzlich wieder genas: Ein paar Nierensteine hatten sich gelöst, höchstwahrscheinlich gelockert durch die holprige Fahrt sowie ein Fußbad wenige Stunden zuvor. Luther freilich sah höhere Mächte am Werk. Noch vor Sonnenaufgang schrieb er seinem Mitstreiter Philipp Melanchthon: „Aus Tambach, dem Ort meiner Segnung, denn dies ist mein Phanuel, an dem mir Gott erschien.“

Tambach-Dietharz, der Ort, in dem Luther Gott am Werk sah

Tambach-Dietharz, der Ort, in dem Luther Gott am Werk sah

Glücklicherweise plagen uns ein knappes halbes Jahrtausend später keine vergleichbaren Beschwerden. Dennoch wollen wir, also Flo, seine Freundin und ich, an einem Frühsommertag herausfinden, ob es sich in Tambach-Dietharz und Umgebung auch ein knappes halbes Jahrtausend später noch wundersam erholen lässt. Die Voraussetzungen erscheinen viel versprechend: Ringsum erheben sich sanft geschwungene Bergketten mit ausladenden Wäldern, aus denen sieben Bäche ins Tal hinunterfließen. Das örtliche Wanderwegenetz bringt es auf stolze 200 Kilometer Länge, überdies trägt Tambach-Dietharz den offiziellen Titel eines Luftkurorts. Durchatmen sollte hier also nicht das Problem sein.

Tatsächlich klappt es letztlich ausgezeichnet. Irgendwie hatten wir es ja auch schon geahnt, nicht von ungefähr trägt der Thüringer Wald den klangvollen Beinamen „grünes Herz Deutschlands“. Denn hier ist es einfach nur schön. Im Spittergrund mit seinem gluckernden Bächlein und den bemoosten Baumalleen zum Beispiel. Oder auf der weiß-gelb-blau gesprenkelten Ebertswiese oder am Falkenstein, einem Koloss von Fels. Oder in der verwunschenen Röllchen-Schlucht, zwischen deren Felswänden man sich wie ein Urdinosaurier vorkommt. Oder. Oder. Oder.

Durchatmen im Thüringer Wald: Ein. Und aus. Ein. Und wieder aus...

Durchatmen im Thüringer Wald: Ein. Und aus. Ein. Und wieder aus…

Leuten, die Bock haben, die Gegend rund um Tambach mal selbst unsicher zu machen, sei die aktuelle outdoor empfohlen. Da steht das alles nämlich noch genauer drin inklusive der Bilder von Flo sowie fünf detaillierten Tagestouren mit Karten. Wenn das nix is…

Funkelndes Firmament – Das Sternenpark-Projekt im Westhavelland

Noch nie die Milchstraße gesehen? Nun, dann wird es aber höchste Zeit! Denn wenn sich hoch droben jenes schimmernde Glitzerband quer über den Nachthimmel zieht, ist dies ein Augenschmaus alleroberster Kajüte. Formidable Gelegenheiten hierfür bietet das Westhavelland in Brandenburg. Dass dies immer mehr ins öffentliche Bewusstsein sickert, liegt nicht zuletzt an Andreas Hänel. In einer klaren Aprilnacht im Jahr 2009 machte sich der Leiter der Osnabrücker Sternwarte auf den Weg zum einsamen Deich an der Gülper Havel, um ein in Fachforen auftauchendes Gerücht einer Probe zu unterziehen. Das Westhavelland sei womöglich die dunkelste Gegend Deutschlands, stand dort geschrieben. Hänel konnte diese Vermutung im Zuge seines Ausflugs bestätigen – 21,78 Größenklassen pro Quadratbogensekunden zeigten seine Messgeräte. „Das bedeutet fast natürlich dunklen Himmel“, erläutert der promovierte Astronom. Ideal für Sternenbeobachtungen also.

Das Westhavelland ist deswegen immer mehr zu einem Anziehungspunkt von Profi- und Hobbysternenguckern geworden. Mehr noch: In einigen Monaten wird die Region vielleicht sogar offiziell von der „International Dark Sky Association“ (IDA) als erster Sternenpark Deutschlands anerkannt. Bislang tragen diesen Titel nur abgelegene Regionen in Nordamerika, Schottland oder Ungarn. „Dass so etwas auch im dicht besiedelten Deutschland möglich sein könnte, das vermochten sich hiesige Astronomen bis vor wenigen Jahren eigentlich nicht vorzustellen“, sagt Hänel. In der Tat wird das Sternegucken hierzulande immer schwieriger: Satellitenbilder zeigen, dass sich die Lichtverschmutzung ausgebreitet hat, vor allem im Umkreis größerer Städte. Straßenlaternen, Fassadenleuchten oder Skybeamer strahlen dort ihr Licht in die Atmosphäre ab, wo es gestreut wird und den Nachthimmel künstlich aufhellt. Was nicht nur ein astronomisches Problem ist: Auch der menschliche Schlaf sowie nachtaktive Tiere und Zugvögel sind von Lichtverschmutzung negativ betroffen. Andreas Hänel hat daher zusammen mit dem Naturpark Westhavelland die Sternenparkinitiative gestartet. „Der Titel würde dabei helfen, die Menschen hier für den Nachthimmel zu sensibilisieren und ihn zu bewahren“, sagt dessen Leiterin Kordula Isermann. Denn der Nachthimmel ist eine echte Perle. Davon durfte ich mich an der Gülper Havel selbst überzeugen. Was man dort neben der Milchstraße noch sehen kann, wie das Thema Lichtverschmutzung in der Region angegangen wird und wie die Chancen auf eine Ernennung zum Sternenpark durch die IDA stehen, habe ich für die aktuelle Ausgabe des Fritz aufgeschrieben. Wer nach der Lektüre Lust auf einen Ausflug ins Westhavelland verspürt: Der Naturpark hat in einer Broschüre die lohnendsten Sternenspots samt Tipps und Tricks aufgeführt (Download hier). Also nix wie hin, oder wie?

Update: Anfang Februar 2014 hat die IDA die Bewerbung positiv beschieden. Soll heißen: Das Westhavelland hat nun tatsächlich den ersten offiziellen Sternenpark Deutschlands. Not bad!

Köstliche Glibbermasse für das Kiwiana – Whitebaiting in Neuseeland

Jedes Jahr, wenn der Frühling in Neuseeland Einzug erhält, beginnt an den mitunter so einsamen Flussmündungen reger Betrieb. Ob in Whakatane in der Bay Of Plenty, Mokau in Taranaki oder Haast an der West Coast – schon im Morgengrauen versammeln sich hier Fischer von jung bis alt und werfen bis in die Abenddämmerung ihre Reusen und Netze aus.

Was sie umtreibt, ist kaum dicker und länger als ein Streichholz: Whitebait. Mag das nahezu transparente Aussehen und die glibberige Konsistenz dieser winzigen Fische zunächst nicht wirklich appetitlich anmuten: Aufgrund des krabbenartigen und zugleich mild-nussigen Geschmacks gelten sie als Delikatesse, für die man in manchen Jahren deutlich über 100 Dollar pro Kilo auf den Tisch legen muss.

Im ganzen Land versuchen daher die Kiwis ihr Glück mit den Kleinen. Dabei ist Whitebait eigentlich gar kein richtiger Fisch, sondern nur ein Oberbegriff für die Larven einheimischer Galaxia-Arten, forellenähnlichen Süßwasserfischen, die bis zu einem halben Meter lang werden. Während der Springfluten im Herbst, wenn das Meer in die Flüsse drückt, kommen die Alttiere aus dem Landesinneren herab an die Flussmündungen. In der überschwemmten Ufervegetation legen sie ihre Eier ab und befruchten diese, anschließend sterben viele von ihnen. Bei der nächsten hohen Flut schlüpfen jedoch unzählige Nachkommen und schwimmen in die offene See, wo sie den Winter verbringen. Wenn sie auf etwa fünf Zentimeter Länge angewachsen sind, kehren sie zurück zur Küste. Millionenfach wandern sie dann flussaufwärts, um in den Marschlanden oder Waldbächen erwachsen zu werden, im Herbst wieder gen Meer aufzubrechen und so den Kreislauf zu schließen. Ein Teil schafft es nicht. Denn bei ihrer Ankunft geht schnell die Kunde: „Der Whitebait kommt.“

Viele Legenden ranken sich über den genauen Zeitpunkt der Whitebait-Wanderungen. Welche das sind, wie man die kleinen Fische am besten fängt und zubereitet, wie sie überdies mit Rugby zusammenhängen und warum es schließlich nicht übertrieben ist zu behaupten, dass Neuseeland ohne das „Whitebaiting“ heute ein ganz anderes wäre, habe ich in einem Feature für die aktuelle Ausgabe von 360° Neuseeland aufgeschrieben.

Und wer die Winzlinge mal in Aktion sehen will – schaut Ihr hier:

Melken fürs Wohnen – WWOOFing in Brandenburg

Der moderne Großstädter ist den Fundamenten seiner Existenz ja weitgehend entfremdet. Zwar habe ich auf dem Balkon einige Gemüsepflanzen zu stehen, der größte Teil meines täglichen Kalorienbedarfs wird jedoch auf monetärer Basis durch den Gang zum Einzelhändler gedeckt.

Die gemeinnützige Organistation „World Wide Opportunities on Organic Farms“, kurz WWOOF, arbeitet schon seit einigen Jährchen daran, diese Distanz aufzubrechen, indem sie weltweit Kontakte zwischen ökologischen Bauernhöfen und freiwilligen Helfern vermittelt. Der Deal hierbei: Man tauscht ein paar Stunden der eigenen Arbeitskraft gegen freie Kost und Logis. On top gibt es einen Eindruck davon, was es heißt, auf dem Land zu arbeiten und zu leben und wie Nahrungsmittelproduktion und -verarbeitung fernab industrieller Zusammenhänge funktionieren können.

Da ich das alles fair und überdies spannend fand, besuchte ich vor einer Weile Barbara und Frank auf ihrem kleinen Selbstversorgerhof in Bloischdorf, einem verschlafenen 200-Seelen-Nest in der Niederlausitz. Dort fand ich mich im Nu in einer fast vergessenen sinnlichen Welt wieder und erhielt Nachhilfe im Melken, Stallausmisten und Anlegen von Gemüsebeeten, gegen die sich die Pendants auf meinem Balkon gar kümmerlich ausnehmen.

Warum das alles zwar anstrengend, aber auch sehr beglückend und inspirierend war, lässt sich anhand meiner Reportage im Reiseteil des heutigen Tagesspiegel recherchieren (Update: Text ist jetzt auch online). So viel kann ich schon jetzt mitteilen: Am Ende, da fühlte ich mich nicht mehr wie ein Grünschnabel, sondern schon wie ein richtiger Teilzeitbauer. Wem das als Appetizer nicht reicht, hier noch ein Video-Snippet über WWOOFing in aller Welt:

 

Zu den Moschusochsen des Dovrefjell

Kürzlich war ich im Herzen Norwegens. Es stehe ein langer Marsch bevor, so begrüßte mich dort Joakim, ein Blondschopf Mitte 20, der als Guide im Dovrefjell arbeitet – jenem Hochplateau, das seine Landsleute schon seit mehr als tausend Jahre in Mythen und Legenden beschäftigt. Allerdings waren ich und die sechs anderen Ausflügler nicht deswegen gekommen, hierher auf den Hof der Kongsvold Fjeldstue. Stattdessen brannten wir, wenngleich wir uns ob Joakims Ankündigung ein Raunen nicht verkneifen konnten, darauf, einen Blick zu erhaschen auf die gegenwärtigen Symbole des Dovrefjells – die mächtigen Moschusochsen.

Am Ende wurde es tatsächlich ein langer Marsch, immerhin bei schönstem Sonnenschein. Und auch abgesehen vom Wetter lohnte es sich, das Kilometerfressen. Nachzulesen ist das auf merian.de, für die ich unsere Suche nach den Moschusochsen hier aufgeschrieben habe.

Für diejenigen, die aus welchen Gründen auch immer nicht dazu kommen, sich diese natürlich absolut empfehlenswerte Geschichte zu Gemüte zu führen, sei an dieser Stelle auf einen landläufigen Irrtum hingewiesen: Moschusochsen, das sind gar keine Rinder, sondern eigentlich Ziegen. Ich zumindest wusste das vorher nicht. Und da sage noch einer, Wandern bilde nicht. Mäh…

Wildnis und Theatralik im Elbsandsteingebirge – Der Malerweg

„Ach, Sie gehen den Malerweg?“ Ein Blick auf den Titel meines kleinen Reiseführers hat den zwei Wanderinnen verraten, was der Zweck meiner Unternehmung hier am Liebethaler Grund ist. „Also, der ist wirklich sehr schön“, schwärmen die beiden in sächsischem Lokalkolorit. „Und zwar alle Etappen.“

Nun, da seit diesem Moment ein paar Wochen vergangen sind, tja, wat soll ick da sagen? Die beiden hatten Recht!!! In der Tat verschmelzen auf dem Malerweg Wildnis und Theatralik, Szenerie und Kunst zu einem ziemlich gelungenen Gesamterlebnis. Die Route, im Jahr 2006 eröffnet, folgt nicht nur den Pfaden alter Meister, sondern fügt über eine Schlaufe von insgesamt 112 Kilometern auch die idyllischsten Stationen der Sächsischen Schweiz zusammen.

Wobei sie anfangs als gar nicht so idyllisch empfunden wurde: Bis ins 18. Jahrhundert hinein galt die Region an der Grenze zu Böhmen ihrer finsteren Schluchten und bizarren Felsnadeln wegen als gespenstisch und unheimlich, ja bedrohlich. Schließlich aber kamen sie, die Adrian Zinggs, die Anton Graffs und natürlich Caspar David Friedrichs, um den Zauber des Elbsandsteingebirges qua Pinsel und Leinwand in die Welt hinauszuposaunen.

Dass es dort auch heute noch sehr schön, wenn auch mitunter recht belebt zugeht, durfte ich für bergleben.de im Halbdunkel des Uttewalder Felsentores, auf den luftigen Höhen der Bastei und an all den anderen tollen Orten der Sächsischen Schweiz in Erfahrung bringen. Wer Lust hat, liest hier, ansonsten Daumen gedrückt, dass das aktuelle Hochwasser dort in der Jegend bald abfließt…

Wo die Verheißung funkelt – Sonnenaufgang am Mount Hikurangi

Kurz vor halb fünf glimmt es auf am Horizont. Ein Gleißen schält sich aus dem fernen Ozean und malt den Himmel an. Glühendes Rot, leuchtendes Orange, auslaufend in sanftem Blau und Violett. Die Sonne geht auf, und wir sind an diesem Morgen wohl die ersten Menschen auf diesem Planeten, die das Schauspiel erleben. Hier, an den Flanken des Mount Hikurangi am anderen Ende der Welt.

Jener Hikurangi, höchster nicht vulkanischer Berg der Nordinsel, soll nämlich derjenige Punkt auf der Erde sein, der zuerst von den Sonnenstrahlen eines neuen Tages getroffen wird. Dutzende Menschen pilgern daher in der Nacht vom 31. Dezember zum 1. Januar hierher, um dabei zu sein, wenn das erste Licht des neuen Jahres heranfunkelt. Außerdem ist er der Legende zufolge die Ruhestätte von Nukutaimemeha, jenem Kanu, von dem aus der Halbgott Maui einst die Nordinsel Neuseelands aus dem Meer fischte. Die örtlichen Maori vom Stamm der Ngati Porou verehren den Berg daher als heiligen Ort.

Reichlich guter Geschichtsstoff ist das. Jedenfalls dachte ich mir das, weswegen ich für die heutige Sonntagsausgabe des Tagesspiegel eine entsprechende Reportage geschrieben habe (Update: Text ist jetzt auch online). Guten Rutsch!

Hikurangi, Neuseeland

Gigantische Panoramen und tanzende Wolken – Der Routeburn Track in Neuseeland

Einer der schönsten Wanderwege der Welt soll er sein, der Routeburn Track auf der Südinsel Neuseelands. Einst nutzten die Maori den Track als Passage über die Südalpen, später drehte dann Peter Jackson in der Gegend prominente Szenen seiner Ring-Trilogie. Nicht die schlechteste Empfehlung.

Was es dort alles zu erleben gibt, habe ich etwas ausführlicher für bergleben.de aufgeschrieben. Reportage samt Fotos finden sich hier. Yeeha…