Hier also soll es sich ereignet haben, das Wunder. Kaum zu glauben eigentlich, so verschlafen wie es in Tambach-Dietharz zugeht. Gut 4000 Einwohner, eine Kirche, ein Kurpark, ein Waldschwimmbad sowie ein paar Gaststätten und Eiscafés – das war es dann auch schon in diesem Nest, das es sich im Schoß des Thüringer Walds zwischen Gotha, Schmalkalden und Ilmenau gemütlich gemacht hat. Und dennoch hat Tambach-Dietharz einen kleinen Platz in der Weltgeschichte. Eben wegen dieses Wunders im Jahr 1537. Und das ging so:
Martin Luther, der große Reformator, weilte in jenen Tagen in besagtem Schmalkalden zu einer wichtigen kirchenpolitischen Tagung, als ihn furchtbare Unterleibschmerzen ereilten. „Der Teufel hasst mich, er hat mich jetzt in seine Klauen gekriegt“, wähnte er sich bereits dem Tode nah. Die Qualen zwangen ihn alsbald zur Abreise in Richtung Tambach, wo er in der Nacht zum 27. Februar urplötzlich wieder genas: Ein paar Nierensteine hatten sich gelöst, höchstwahrscheinlich gelockert durch die holprige Fahrt sowie ein Fußbad wenige Stunden zuvor. Luther freilich sah höhere Mächte am Werk. Noch vor Sonnenaufgang schrieb er seinem Mitstreiter Philipp Melanchthon: „Aus Tambach, dem Ort meiner Segnung, denn dies ist mein Phanuel, an dem mir Gott erschien.“
Glücklicherweise plagen uns ein knappes halbes Jahrtausend später keine vergleichbaren Beschwerden. Dennoch wollen wir, also Flo, seine Freundin und ich, an einem Frühsommertag herausfinden, ob es sich in Tambach-Dietharz und Umgebung auch ein knappes halbes Jahrtausend später noch wundersam erholen lässt. Die Voraussetzungen erscheinen viel versprechend: Ringsum erheben sich sanft geschwungene Bergketten mit ausladenden Wäldern, aus denen sieben Bäche ins Tal hinunterfließen. Das örtliche Wanderwegenetz bringt es auf stolze 200 Kilometer Länge, überdies trägt Tambach-Dietharz den offiziellen Titel eines Luftkurorts. Durchatmen sollte hier also nicht das Problem sein.
Tatsächlich klappt es letztlich ausgezeichnet. Irgendwie hatten wir es ja auch schon geahnt, nicht von ungefähr trägt der Thüringer Wald den klangvollen Beinamen „grünes Herz Deutschlands“. Denn hier ist es einfach nur schön. Im Spittergrund mit seinem gluckernden Bächlein und den bemoosten Baumalleen zum Beispiel. Oder auf der weiß-gelb-blau gesprenkelten Ebertswiese oder am Falkenstein, einem Koloss von Fels. Oder in der verwunschenen Röllchen-Schlucht, zwischen deren Felswänden man sich wie ein Urdinosaurier vorkommt. Oder. Oder. Oder.
Leuten, die Bock haben, die Gegend rund um Tambach mal selbst unsicher zu machen, sei die aktuelle outdoor empfohlen. Da steht das alles nämlich noch genauer drin inklusive der Bilder von Flo sowie fünf detaillierten Tagestouren mit Karten. Wenn das nix is…