Kategorie-Archiv: Natur & Umwelt

Schillerndes für die Seele – Streuobstwiesen im Raum Lüneburg

Goldparmäne. Geflammter Kardinal. Edelborsdorfer. Solcherlei schillernde Namen sind untrennbar verbunden mit knorrigen Baumstämmen, die zum Beispiel entlang der Landstraßen in der Elbtalaue ihre Äste gen Himmel verdrehen. Die alten Obstalleen der Region in Niedersachsen sind Zeugnis einer Kulturlandschaft, die bis ins 17. Jahrhundert zurückreicht: Damals begannen die Bauern – gebeutelt von den Folgen des Dreißigjährigen Kriegs – damit, Wegsäume, Ortsränder und Hofstellen mit Obstbäumen zu bepflanzen. Trotz knapper Ackerflächen sicherten sie so nicht nur die Versorgung mit frischen Früchten, sondern konnten auch den rauen Winden des Nordens trotzen. Einen Teil der Ernte verkauften sie später an Handelsschiffe, die die Ware nach Hamburg oder Berlin lieferten. Ein hübscher Nebenverdienst für viele.

Die Bedeutung der Alleen hier und anderswo in Deutschland ist jedoch nicht allein eine historische: Umweltverbände wie der NABU qualifizieren sie sowie Streuobstwiesen als „Hot Spots der Biodiversität in West- und Mitteleuropa“. Mit insgesamt rund 6.000 bekannten Sorten wie Goldparmäne & Co. beherbergen sie ein wichtiges Genreservoir für die Zukunft des Obstanbaus, zudem ziehen sie unzählige Tiere und Pflanzen an.

Ausschlaggebend hierfür ist der Mensch: Er ist es, der die Alleen und Wiesen anlegt, in lockeren und gemischten Beständen von bis zu 120 Bäumen pro Hektar. Er ist es, der sie veredelt und pflegt, mittels vegetativer Zucht und Astbeschnitt. Und er beschützt sie, indem er sie als Viehweide oder zur Heumahd nutzt und so verhindert, dass sich konkurrierende Sträucher und andere Gehölze breit machen.

Die daraus entstehenden „Savannen“, in denen lichter Wald mit Blumen- und Kräuterwiesen wechselt, sind Lebensraum für etwa 5000 Tier- und Pflanzenarten.

Alte Obstbaumallee bei Bitter
(Quelle: Olaf Anderßon/Lüneburger Streuobstwiesenverein)

Ihre Zukunft ist allerdings ungewiss. Längst haben profitablere Plantagen den Löwenanteil der Obstproduktion für den Massenmarkt übernommen, auch hierzulande – in Monokulturen von 3000 Stück pro Hektar, gepäppelt mit hohem Düngereinsatz sowie mit Pestiziden vor Krankheiten und Unterwuchs geschützt.

Immerhin: Schätzungen zufolge gibt es in Deutschland noch Bestände von 300.000 bis 500.000 Hektar. Zum Beispiel eben in der Elbtalaue sowie im Lüneburger Raum. Hier arbeiten zahlreiche Menschen in Vereinen, beim Landkreis sowie in Unternehmen daran, die überlieferten Standorte alter Apfel-, Birnen-, Kirsch- und Zwetschgensorte sowie das Wissen darüber lebendig zu halten.

Wie das genau funktionieren soll und inwiefern es sich für die Menschen im sprichwörtlichen Sinne bezahlt machen könnte, habe ich vor Ort ergründet und für die neue Sonderbeilage „Was zählt“ der Lüneburger Landeszeitung aufgeschrieben. Das gute Stück gibt es auch online, zusammen mit einer Reihe von weiteren Texten, etwa darüber, warum einige Lüneburger ihre Zeit verschenken oder das Reparieren von Elektrogeräten lernen und wie sich Stadt und Wirtschaft auf das Thema Peak Oil vorbereiten. Wohl bekomm’s…

Das Ziehharmonika-Prinzip – Überschwemmungsökologie an der Elbe

Gebrochene Deiche und überflutete Ortschaften, zerstörte Straßen und verwüstete Bahntrassen – wenn Flüsse über ihre Ufer treten, bedeutet das für die Betroffenen oft nichts Gutes. So wie im vergangenen Juni: Hunderttausende Menschen kämpften hierzulande an Donau, Elbe oder Mulde mit einem „Jahrhunderthochwasser“, Schätzungen zufolge gingen die Schäden in den zweistelligen Milliardenbereich. Eine Katastrophe von historischen Ausmaßen.

Inwiefern gilt dies auch für die Tier- und Pflanzenwelt? Werden Flora und Fauna bei extremen Überschwemmungen einfach fortgespült oder können sie mit solchen Ereignissen umgehen? Und wie verändern die Wassermassen die umliegenden Ökosysteme insgesamt?

Am Leipziger Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) beschäftigen sich Ökologen seit längerem mit diesen Fragen. Beispielsweise führten die Forscher infolge des Elbehochwassers 2002 Studien zu Vegetation, Schnecken und Laufkäfern durch. Die Hypothese war naheliegend: Eine starke Überflutung in einer sonst weitgehend trockenen Jahreszeit dürfte Pflanzen und Weichtiere aufgrund ihrer eingeschränkten Beweglichkeit stärker beeinträchtigen als die mobileren Käfer.

Hochwasser an der Elbe bei Rosslau, Juni 2013
(Quelle: Künzelmann / UFZ)

Umso überraschender gestalteten sich die Ergebnisse. So blieb etwa die Vegetation in Artenzahl und -zusammensetzung weitgehend stabil. Alles eine Frage der Überlebensstrategie: Einige Pflanzenarten haben sich an das Leben mit außerplanmäßigen Fluten angepasst, indem sie Unterwasserblätter ausbilden. Andere wiederum haben zuvor schon so viel Samen im Boden eingelagert, dass sie trocken gefallene Standorte als Pionierarten neu besiedeln können.

Im Fall der Schnecken fanden die Forscher in den Elbauen unmittelbar nach der Flut sogar 13 neue Arten – ein Anstieg zu den Vorjahren um mehr als ein Drittel. Verantwortlich hierfür war insbesondere der Eintrag von Wasserschnecken. Doch auch die an Land lebenden Spezies kamen gut mit den Überschwemmungen zurecht, etwa die seltene Ufer-Laubschnecke. Denn ahnlich wie Ameisen flüchten Schnecken bei Hochwasser an der Vegetation senkrecht in die Höhe, oder sie werden mit Treibgut in andere Lebensräume verdriftet.

Die Laufkäfer erwischte es dagegen auf dem falschen Fuß. Zwar können die meisten auenspezifischen Käfer schwimmen. Im August 2002 befanden sich jedoch eine Reihe von ihnen im Larven- oder Verpuppungsstadium. Ausgerechnet von den wasserliebenden Arten gingen so über 40 Prozent verloren, insgesamt verschwand rund jede vierte Spezies.

Allerdings sind Laufkäfer in der Lage, frühzeitig Pionierstandorte zu besiedeln und sich dann explosionsartig zu vermehren. Auf Dauer ist deshalb selbst nach starken Überschwemmungen eine Art „Ziehharmonikaprinzip“ zu verzeichnen. Soll heißen: Über kurz oder lang kehren die betroffenen Ökosysteme wieder weitgehend in ihren Ausgangszustand zurück.

Bei Dessau weitgehend verschwunden: Der Ameisenbläuling
(Quelle: Künzelmann/UFZ)

Problematisch wird es jedoch, wenn eine Art nur noch über Restbestände verfügt, etwa in Folge von Eindeichungen oder intensiver Landnutzung. Seit dem Hochwasser 2002 sind beispielsweise die Falter des Ameisenbläulings aus den Wiesen bei Dessau nahezu verschwunden, weil seine Ausgangspopulation zuvor schon so klein war.

Unklar ist zudem bislang, welche Auswirkungen mehrere untypische Überschwemmungen hintereinander haben, weswegen am UFZ derzeit weitere Studien zum Thema laaufen.

Für die aktuelle Ausgabe des naturgucker Magazins habe ich all das ein wenig ausführlicher aufgeschrieben. Unter anderem steht dort, wie die heimische Vogelwelt auf starke Überflutungen reagiert. Soviel sei hier schon verraten: Einige profitieren, andere nicht. Welche das sind, kann man dieser Tage ja selbst am Kiosk nachlesen, hehe…

Silberhörner über den Auen – Die Singschwäne im Odertal

Da fliegen sie. Auf großen Schwingen, den Hals weit nach vorn gereckt, bis auf den markanten gelbschwarzen Schnabel ganz in weiß. Lautlos ziehen sie dahin, fast so wie die kleinen Wolken am blauen Himmel: Singschwäne.

Wer Glück hat, kann diese Szenerie derzeit noch im Unteren Odertal erleben. Der Nationalpark im Nordosten Brandenburgs gleich an der Grenze zu Polen ist eines der deutschlandweit größten Überwinterungsgebiete der Schwäne. Ab Oktober sammeln sich etwa 1000 bis 1500 Tiere in den weiten Überschwemmungsgebieten der Oder, um dem grimmen Winter in ihren skandinavischen und lettischen Brutgebieten zu entfliehen. Immer wieder erschallen dann in den Auen jene Posaunenrufe, denen die Schwäne ihren Namen verdanken. „Ein Laut, der an das Schmettern von Silberhörnern erinnert, an das Dröhnen von Erzglocken“, so beschrieb sie einmal der finnische Schriftsteller und Naturschützer Yrjö Kokko, „eine Stimme, die mich mit so fremdartiger Sehnsucht erfüllt.“

Kokko hat nicht unrecht. Zumindest habe ich es während eines Besuchs im Odertal ähnlich empfunden. Für die aktuelle Ausgabe des naturgucker Magazins habe ich das aufgeschrieben und gleich mal darüber berichtet, warum sich die Schwäne oft auf Äckern herumtreiben, warum sie möglicherweise bald dauerhaft auch in Deutschland siedeln und wieso das Odertal darüber hinaus ein echtes Vogelparadies ist.

In ein paar Tagen werden die meisten Singschwäne die Region aber erst einmal wieder in Richtung ihrer Brutgebiete verlassen. In areodynamischer Keilformation ziehen sie dann mit ihren Artgenossen, den Hals weit nach vorn gereckt, traurig-schöne Rufe schmetternd. Ihr Aufbruch ist das endgültige Zeichen für den nahenden Frühling. Denn auf ihren Schwingen, so heißt es in einem japanischen Sprichwort, tragen die Singschwäne den Winter davon.

Funkelndes Firmament – Das Sternenpark-Projekt im Westhavelland

Noch nie die Milchstraße gesehen? Nun, dann wird es aber höchste Zeit! Denn wenn sich hoch droben jenes schimmernde Glitzerband quer über den Nachthimmel zieht, ist dies ein Augenschmaus alleroberster Kajüte. Formidable Gelegenheiten hierfür bietet das Westhavelland in Brandenburg. Dass dies immer mehr ins öffentliche Bewusstsein sickert, liegt nicht zuletzt an Andreas Hänel. In einer klaren Aprilnacht im Jahr 2009 machte sich der Leiter der Osnabrücker Sternwarte auf den Weg zum einsamen Deich an der Gülper Havel, um ein in Fachforen auftauchendes Gerücht einer Probe zu unterziehen. Das Westhavelland sei womöglich die dunkelste Gegend Deutschlands, stand dort geschrieben. Hänel konnte diese Vermutung im Zuge seines Ausflugs bestätigen – 21,78 Größenklassen pro Quadratbogensekunden zeigten seine Messgeräte. „Das bedeutet fast natürlich dunklen Himmel“, erläutert der promovierte Astronom. Ideal für Sternenbeobachtungen also.

Das Westhavelland ist deswegen immer mehr zu einem Anziehungspunkt von Profi- und Hobbysternenguckern geworden. Mehr noch: In einigen Monaten wird die Region vielleicht sogar offiziell von der „International Dark Sky Association“ (IDA) als erster Sternenpark Deutschlands anerkannt. Bislang tragen diesen Titel nur abgelegene Regionen in Nordamerika, Schottland oder Ungarn. „Dass so etwas auch im dicht besiedelten Deutschland möglich sein könnte, das vermochten sich hiesige Astronomen bis vor wenigen Jahren eigentlich nicht vorzustellen“, sagt Hänel. In der Tat wird das Sternegucken hierzulande immer schwieriger: Satellitenbilder zeigen, dass sich die Lichtverschmutzung ausgebreitet hat, vor allem im Umkreis größerer Städte. Straßenlaternen, Fassadenleuchten oder Skybeamer strahlen dort ihr Licht in die Atmosphäre ab, wo es gestreut wird und den Nachthimmel künstlich aufhellt. Was nicht nur ein astronomisches Problem ist: Auch der menschliche Schlaf sowie nachtaktive Tiere und Zugvögel sind von Lichtverschmutzung negativ betroffen. Andreas Hänel hat daher zusammen mit dem Naturpark Westhavelland die Sternenparkinitiative gestartet. „Der Titel würde dabei helfen, die Menschen hier für den Nachthimmel zu sensibilisieren und ihn zu bewahren“, sagt dessen Leiterin Kordula Isermann. Denn der Nachthimmel ist eine echte Perle. Davon durfte ich mich an der Gülper Havel selbst überzeugen. Was man dort neben der Milchstraße noch sehen kann, wie das Thema Lichtverschmutzung in der Region angegangen wird und wie die Chancen auf eine Ernennung zum Sternenpark durch die IDA stehen, habe ich für die aktuelle Ausgabe des Fritz aufgeschrieben. Wer nach der Lektüre Lust auf einen Ausflug ins Westhavelland verspürt: Der Naturpark hat in einer Broschüre die lohnendsten Sternenspots samt Tipps und Tricks aufgeführt (Download hier). Also nix wie hin, oder wie?

Update: Anfang Februar 2014 hat die IDA die Bewerbung positiv beschieden. Soll heißen: Das Westhavelland hat nun tatsächlich den ersten offiziellen Sternenpark Deutschlands. Not bad!

Köstliche Glibbermasse für das Kiwiana – Whitebaiting in Neuseeland

Jedes Jahr, wenn der Frühling in Neuseeland Einzug erhält, beginnt an den mitunter so einsamen Flussmündungen reger Betrieb. Ob in Whakatane in der Bay Of Plenty, Mokau in Taranaki oder Haast an der West Coast – schon im Morgengrauen versammeln sich hier Fischer von jung bis alt und werfen bis in die Abenddämmerung ihre Reusen und Netze aus.

Was sie umtreibt, ist kaum dicker und länger als ein Streichholz: Whitebait. Mag das nahezu transparente Aussehen und die glibberige Konsistenz dieser winzigen Fische zunächst nicht wirklich appetitlich anmuten: Aufgrund des krabbenartigen und zugleich mild-nussigen Geschmacks gelten sie als Delikatesse, für die man in manchen Jahren deutlich über 100 Dollar pro Kilo auf den Tisch legen muss.

Im ganzen Land versuchen daher die Kiwis ihr Glück mit den Kleinen. Dabei ist Whitebait eigentlich gar kein richtiger Fisch, sondern nur ein Oberbegriff für die Larven einheimischer Galaxia-Arten, forellenähnlichen Süßwasserfischen, die bis zu einem halben Meter lang werden. Während der Springfluten im Herbst, wenn das Meer in die Flüsse drückt, kommen die Alttiere aus dem Landesinneren herab an die Flussmündungen. In der überschwemmten Ufervegetation legen sie ihre Eier ab und befruchten diese, anschließend sterben viele von ihnen. Bei der nächsten hohen Flut schlüpfen jedoch unzählige Nachkommen und schwimmen in die offene See, wo sie den Winter verbringen. Wenn sie auf etwa fünf Zentimeter Länge angewachsen sind, kehren sie zurück zur Küste. Millionenfach wandern sie dann flussaufwärts, um in den Marschlanden oder Waldbächen erwachsen zu werden, im Herbst wieder gen Meer aufzubrechen und so den Kreislauf zu schließen. Ein Teil schafft es nicht. Denn bei ihrer Ankunft geht schnell die Kunde: „Der Whitebait kommt.“

Viele Legenden ranken sich über den genauen Zeitpunkt der Whitebait-Wanderungen. Welche das sind, wie man die kleinen Fische am besten fängt und zubereitet, wie sie überdies mit Rugby zusammenhängen und warum es schließlich nicht übertrieben ist zu behaupten, dass Neuseeland ohne das „Whitebaiting“ heute ein ganz anderes wäre, habe ich in einem Feature für die aktuelle Ausgabe von 360° Neuseeland aufgeschrieben.

Und wer die Winzlinge mal in Aktion sehen will – schaut Ihr hier:

Aufregender als all-inclusive – Die Facetten nachhaltiger Entwicklung

Nachhaltigkeit – das sind 14 Buchstaben in vier Silben, deren Aneinanderreihung dem Sprachgebrauch deutscher Amtsstuben entsprungen scheint. Trotzdem ist der Begriff tief in unseren Alltag eingesickert. Wenn wir beim Einkauf den Tiefkühlseelachs aus der Truhe holen, stammt er aus „nachhaltiger Fischerei“. Es gibt Werbeslogans, die „Natürlich nasch ich nachhaltig“ und „Nachhaltigkeit auf den Punkt gebracht“ lauten, und bei Autoherstellern gehen „technischer Fortschritt und nachhaltiges Handeln“ wie selbstverständlich „Hand in Hand“. Schöne neue Welt.

In Wirklichkeit ist das alles natürlich viel komplizierter. Die schöne neue Welt, sie existiert erst einmal nur in den Verlautbarungen der PR-Abteilungen. Dies jedenfalls durfte ich im vergangenen Jahr im Rahmen des Aufbaustudiengangs „Nachhaltigkeit und Journalismus“ an der Leuphana Professional School Lüneburg erfahren. Es waren inspirierende zwölf Monate, fürwahr. Meine Kommilitonen und mich umtrieb dabei die Frage, wie es seit der „Erfindung“ der Nachhaltigkeit durch den sächsischen Oberberghauptmann Hans Carl von Carlowitz vor genau 300 Jahren um diesen zunehmend omnipräsenten (und dabei oft nervensägenden) Begriff steht. So schrieb etwa 1987 die Brundlandt-Kommission in ihrem Report für die UN, nachhaltige Entwicklung, das sei ein Prozess, der „den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen.“ Welche ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Implikationen hat das? Können wir vor diesem Hintergrund einfach weitermachen wie bisher? Und wenn nicht: Welche Ideen und Initiativen gibt es, nachhaltige Entwicklung, diese unserer Meinung nach größte Herausforderung unserer Zeit, zu bewerkstelligen und journalistisch zu begleiten?

Eine unserer vorläufigen Antworten lautet: Nachhaltigkeit und ihre Entwicklung, das ist ein Abenteuer mit reichlich Raum für Fantasie und obendrein ein Weg, sich über „das gute Leben“ und dessen Verwirklichung klar zu werden. Die Blüten, die das bereits treibt und künftig treiben kann, haben wir obendrein dankenswerterweise in einem Nachhaltigkeitsmagazin für die seit dem gestrigen Donnerstag an den Kiosken erhältliche Ausgabe 45 der ZEIT darstellen dürfen.

Neben einer allgemeinen Betrachtung mit dabei:

Alles läuft rund – Wie Cradle-to-Cradle die Wirtschaftswelt neu erfinden will
Wohlfühlzone oder Totholzwüste – Der deutsche Wald
Perlen für die Wandersleut‘ – Geht nachhaltiges und faires Reisen?
Rauch-Zeichen – Wie Klimakompensation das Leben in Kenia verändert
Musik aus der Mülltonne – Das Duo Guaia Guaia
usw.

Wer den Gang zum Pressehändler seines Vertrauens scheut oder aus anderen Gründen kein Exemplar in die Finger bekommt, kann sich das Gute Stück auch als .pdf zu Gemüte führen – und zwar hier. Ich würde mal behaupten: Es lohnt sich!

Schönet Wochenende wünsch ich mit nem Stück der Mülltonnenmusiker…

Kraftanstrengung für den Spatz der Niedermoore – Der Seggenrohrsänger im Odertal

Es ist ein ganz schönes Ballyhoo, das dieser kleine Vogel da verursacht: Der Seggenrohrsänger, kaum größer als ein Spatz, vernetzt Fachleute auf der ganzen Welt, bringt Politiker von nah und fern an den Tisch und veranlasst Finanzierungsvolumina in Millionenhöhe.

In seinem Fall muss das wohl auch so sein: Der unscheinbare Piepmatz, der der Vielweiberei und -männerei frönt, ist die am stärksten bedrohte Singvogelart Europas. Einst siedelten die Seggenrohrsänger zu Hunderttausenden in einem Gürtel, der von der Ostsee bis Ungarn und von den Niederlanden bis nach Westsibirien reichte. Heute schätzt die Forschung den weltweiten Bestand auf nur noch knapp 12.000 bis 14.000 singende Männchen, 95 Prozent weniger als zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts.

Schuld ist die jahrzehntelang im großen Stil betriebene Entwässerung von Feuchtbiotopen sowie die Eindeichung von Überschwemmungsgebieten zugunsten von Torfabbau und Landwirtschaft.  Die Vögel sind Spezialisten der Feuchtwiesen in den Niedermooren, wie sie in Flussniederungen und Senken entstehen. Hier dominiert eine lockere Vegetationsstruktur mit krautigen Pflanzen sowie den Seggen, jenen kniehohen, büschelartigen Sauergräsern, denen die Sänger den ersten Teil ihres Namens verdanken.

(Foto: Eugene Archer via flickr.com)

(Foto: Eugene Archer via flickr.com)

Dieser Lebensraum ist von Natur wegen zumindest in der EU praktisch verschwunden. Allein im Südwesten Weißrusslands gibt es noch größere Populationen der Seggenrohrsänger, außerdem in der Ukraine sowie der polnischen Biebrza-Niederung.

Hierzulande ist die Art dagegen so gut wie ausgestorben. Einzig im Unteren Odertal an der polnischen Grenze keimt noch Hoffnung. Jedes Jahr zeigen sich hier von Mai bis Juli ein paar der Vögel, neuerdings sogar wieder auf stabilem Niveau. Intakte Niedermoore gibt es zwar auch hier nicht mehr, aber Reste davon, die im Rahmen eines  E+E-Projekts erhalten, entwickelt und in Absprache mit den örtlichen Landwirten gemanaget werden sollen.

Für das naturgucker-Magazin war ich dort zu Besuch und habe mir von dem Projektleiter Jochen Bellebaum erklären lassen, wie das Ganze funktionieren soll und was das alles mit Frankreich, Litauen und Afrika zu tun hat (einen Eindruck davon, was in dem Heft noch so alles drinsteht, gibt es hier).

Bei weiterem Interesse am Thema, das exemplarisch zeigt, wie Biotop- und Artenschutz vielleicht funktionieren können, wenn nur (internationaler) Wille da ist, sei zudem noch die schöne Radioreportage „Operation Seggenrohrsänger“ von Anselm Weidner empfohlen.

Und jetze zum Ausklang noch’n Filmsche, damit man den Sänger endlich auch mal flöten und ratschen hört und sieht. Und bitte:

[Anm.: Ein früheres Bild zeigte irrtümlich einen Schilf- statt einen Seggenrohrsänger. Daher wurde es gegen das aktuelle ausgetauscht.]

Zu den Moschusochsen des Dovrefjell

Kürzlich war ich im Herzen Norwegens. Es stehe ein langer Marsch bevor, so begrüßte mich dort Joakim, ein Blondschopf Mitte 20, der als Guide im Dovrefjell arbeitet – jenem Hochplateau, das seine Landsleute schon seit mehr als tausend Jahre in Mythen und Legenden beschäftigt. Allerdings waren ich und die sechs anderen Ausflügler nicht deswegen gekommen, hierher auf den Hof der Kongsvold Fjeldstue. Stattdessen brannten wir, wenngleich wir uns ob Joakims Ankündigung ein Raunen nicht verkneifen konnten, darauf, einen Blick zu erhaschen auf die gegenwärtigen Symbole des Dovrefjells – die mächtigen Moschusochsen.

Am Ende wurde es tatsächlich ein langer Marsch, immerhin bei schönstem Sonnenschein. Und auch abgesehen vom Wetter lohnte es sich, das Kilometerfressen. Nachzulesen ist das auf merian.de, für die ich unsere Suche nach den Moschusochsen hier aufgeschrieben habe.

Für diejenigen, die aus welchen Gründen auch immer nicht dazu kommen, sich diese natürlich absolut empfehlenswerte Geschichte zu Gemüte zu führen, sei an dieser Stelle auf einen landläufigen Irrtum hingewiesen: Moschusochsen, das sind gar keine Rinder, sondern eigentlich Ziegen. Ich zumindest wusste das vorher nicht. Und da sage noch einer, Wandern bilde nicht. Mäh…

Immer dem Schnabel nach! – Der Kiwi ist Neuseelands Liebling

Die Sonne ist längst untergegangen, die Nacht hat sich über Neuseeland gesenkt. Nun könnte es ruhig werden im Dickicht. Doch nix da! Ein Waldbewohner wird gerade jetzt putzmunter: der Kiwi. Dieser seltsame Vogel, den es nur hier, am anderen Ende der Welt gibt, kriecht erst in der Dunkelheit aus seiner Erdhöhle und denkt gar nicht daran, den Schnabel zu halten. Auf der Suche nach seinem Frühstück begibt er sich tief ins Unterholz und macht seinen Artgenossen mit einem lauten „Uii, uii, uii“ deutlich: Das, bitte schön, ist mein Revier! Hier suche ich Futter!

Mit wackelndem Hinterteil beginnt er zu jagen. Den bis zu 15 Zentimeter langen Schnabel hält er dabei dicht über dem Boden. Denn im Gegensatz zu anderen Vögeln sieht er schlecht und orientiert sich am Geruch. Auch in anderer Hinsicht ist das kleine Pummelchen ein sehr bemerkenswerter Piepmatz: Er kann nicht fliegen, legt die im Verhältnis zur Körpergröße dicksten Eier und hat nach Überzeugung der Maori in grauer Vorzeit den neuseeländischen Wald vor einer Insektenplage gerettet.

Kein Wunder, dass sich die Neuseeländer mit stolzgeschwellter Brust selbst Kiwis nennen. Und das trotz des Umstandes, dass ihr Vorbild oft mies gelaunt ist. Vielleicht liegt es am schlechten Gewissen: Denn die vom Menschen eingeschleppten Hunde, Katzen, Wiesel und Frettchen machen dem Kiwi das Leben schwer – von einstmals mehreren Millionen sind heute nur noch etwa 70.000 Exemplare übrig geblieben, weswegen im ganzen Land aufwändige Schutz- und Aufzuchtprogramme laufen.

Mehr zum Kiwi ist auf der vorzüglichen Website von Kiwis for Kiwi oder aber in der aktuellen Ausgabe von Geolino zu erfahren, für die ich den puscheligen Langschnabel porträtieren durfte. Folgendes Video gibt aber auch einen ganz guten ersten Eindruck von Neuseelands unumstrittenen Nationalsymbol. Lang lebe der Kiwi!

Sternengucker auf sechs Beinen

Die Astronavigation erscheint Laien wie mir als schwierige Angelegenheit. Ein Blick in die einschlägigen Lehrbücher fördert kompliziert klingende Begriffe wie Sextanten, Ephimeriden, sphärisches Dreieck oder Greenwicher Stundenwinkel zu Tage. Trotzdem verstehen es nicht nur einige Menschen, sondern auch Vögel und Seehunde, sich vermittels der Gestirne selbst bei Nacht zu orientieren.

In diese Aufzählung reihen sich nun auch die Insekten ein. Genauer: Afrikanische Mistkäfer der Art Scarabaeus satyrus. Dass die lustigen Krabbeltiere statt Landmarken den Stand der Sonne, des Mondes sowie das polarisierte Licht um beide Himmelskörper nutzen, um sich in ihrer Umgebung zurecht zu finden, wusste Marie Dacke von der schwedischen Lund Universität schon länger. Dank ausgiebiger Experimente hat sie zusammen mit südafrikanischen Kollegen nun herausgefunden, dass die Käfer, um ihre an Kothaufen erbeuteten Dungkugeln möglichst schnell vor der Konkurrenz in Sicherheit zu bringen, auch die Milchstraße als Kompass nutzen. Daraus ergebe sich, so Dacke und Mitstreiter, „dass diese Fähigkeit im Tierreich möglicherweise weit verbreitet ist.“ Und das ganz ohne Sextanten.

Dass es sich hierbei um keinen Aprilscherz, sondern Resultat hochwissenschaftlicher Arbeit handelt, kann in der aktuellen Geo nachgelesen werden, in der ich den Versuch etwas ausführlicher auseinander gedröselt habe. Wer mehr über Dackes Arbeit mit Insekten und ihrer Orientierung erfahren will, bekommt in folgendem Video einen kleinen Einblick: