Da fliegen sie. Auf großen Schwingen, den Hals weit nach vorn gereckt, bis auf den markanten gelbschwarzen Schnabel ganz in weiß. Lautlos ziehen sie dahin, fast so wie die kleinen Wolken am blauen Himmel: Singschwäne.
Wer Glück hat, kann diese Szenerie derzeit noch im Unteren Odertal erleben. Der Nationalpark im Nordosten Brandenburgs gleich an der Grenze zu Polen ist eines der deutschlandweit größten Überwinterungsgebiete der Schwäne. Ab Oktober sammeln sich etwa 1000 bis 1500 Tiere in den weiten Überschwemmungsgebieten der Oder, um dem grimmen Winter in ihren skandinavischen und lettischen Brutgebieten zu entfliehen. Immer wieder erschallen dann in den Auen jene Posaunenrufe, denen die Schwäne ihren Namen verdanken. „Ein Laut, der an das Schmettern von Silberhörnern erinnert, an das Dröhnen von Erzglocken“, so beschrieb sie einmal der finnische Schriftsteller und Naturschützer Yrjö Kokko, „eine Stimme, die mich mit so fremdartiger Sehnsucht erfüllt.“
Kokko hat nicht unrecht. Zumindest habe ich es während eines Besuchs im Odertal ähnlich empfunden. Für die aktuelle Ausgabe des naturgucker Magazins habe ich das aufgeschrieben und gleich mal darüber berichtet, warum sich die Schwäne oft auf Äckern herumtreiben, warum sie möglicherweise bald dauerhaft auch in Deutschland siedeln und wieso das Odertal darüber hinaus ein echtes Vogelparadies ist.
In ein paar Tagen werden die meisten Singschwäne die Region aber erst einmal wieder in Richtung ihrer Brutgebiete verlassen. In areodynamischer Keilformation ziehen sie dann mit ihren Artgenossen, den Hals weit nach vorn gereckt, traurig-schöne Rufe schmetternd. Ihr Aufbruch ist das endgültige Zeichen für den nahenden Frühling. Denn auf ihren Schwingen, so heißt es in einem japanischen Sprichwort, tragen die Singschwäne den Winter davon.