Das Schicksal der Welt entscheide sich in den Städten, so notierte es Fernand Braudel einmal sinngemäß. Was der französische Historiker noch auf den sozialen Alltag im 15. bis 18. Jahrhundert bezog, erscheint heute aktueller denn je: Den UN zufolge werden im Jahr 2050 zwei Drittel der wachsenden Weltbevölkerung in urbanen Räumen leben, andere Schätzungen taxieren den Anteil sogar auf 80 Prozent.
Die damit verbundenen Herausforderungen sind gewaltig. In der Diskussion, wie Städte sie sinnvoll bewältigen könnten, hat sich etwas herauskristallisiert, das vor wenigen Jahren noch als Domäne der Klein- und Schrebergärtner galt: Die urbane Landwirtschaft. Ihre real existierenden Erscheinungsformen – von der nahezu autarken Gemüseversorgung Havannas über die hektargroßen Gewächshäuser auf New Yorks Dächern bis zu den kooperativen Farmen São Paulos oder Pekings – verschmelzen dabei mit Zukunftsvisionen von Hochhäusern, die als vertikale Farmen neben vegetarischer Kost auch Hühner oder Fisch züchten, zu einem verheißungsvollen Bild: Lebensmittelproduktion in der Stadt könnte Transportwege minimieren, Ernährungssouveränität herstellen sowie ökonomische Werte und Arbeitsplätze schaffen, zudem Blaupause für Stoffkreisläufe sein, die städtische Biodiversität fördern, den Klima- und Wasserhaushalt verbessern und sozialen Gemeinsinn stiften. „Urban Farming“, die eierlegende Wollmilchsau der Nachhaltigkeit?
Berlin ist nicht der schlechteste Ort, um diese Frage zu ergründen – ist die Stadt doch einem für hiesige Verhältnisse rasantem Bevölkerungswachstum unterworfen und zugleich der deutsche Hot Spot, was das städtische Gärtnern moderner Prägung angeht.
Daher habe ich mich hier mal zum Thema umgetan, und herausgekommen ist die aktuelle Titelgeschichte des tip, die neben einer kleinen Bestandsanalyse auch diverse Akteure des Urban Farming Berliner Prägung beleuchtet (Update 8.9.14: einige der Geschichten sind jetzt auch online zu finden). Mit dabei: Die Schafherde der Agrarbörse, der kommende Aquaponik-Bauernhof von ECF Farmsystems, diverse Indoor- und Vertical-Farming-Konzepte und natürlich der Prinzessinnengarten, der nach fünf Jahren eine Art Zwischenbilanz zieht. Alles sehr aufregend, wie ich ganz unbescheiden finde…