Kategorie-Archiv: Musik

Innenbetrachtung – Intronaut im Cassiopeia

„Ein Astronaut bereist den Raum dort draußen, ein Intronaut dagegen begibt sich in das Innere.“ Mit diesen Worten erläuterte Sänger und Gitarrist Sacha Dunable einmal den Namen seiner Band. Das Innere also. Wahrscheinlich gibt es dort wirklich mehr zu erfahren als anderswo. Das Brutzeln der Synapsen, das Rauschen des Blutes, das Wirbeln der Gedanken, das Rumoren der Emotionen. Und dann die Ruhe im Einssein mit sich.

So jedenfalls klingt das, was Intronaut seit zehn Jahren im Zuge ihrer Selbsterforschung zu Tage fördern. Am heutigen Sonnabend nun spielt das Quartett aus Kalifornien seine unerhört originelle Version des Progressive Metal im Cassiopeia zu Berlin. Zu hören gibt es dabei sicher auch einige Stücke ihres aktuellen und alles in allem wieder vorzüglichen Albums „Habitual Levitations“ (siehe hierzu auch meine Preview im aktuellen tip).

Insofern: Ausdrückliche Hingehempfehlung! Und wem diese paar Zeilen noch nicht ausreichen, um sich aufzuraffen, hört zumindest hier mal rein:

„Wir sind eine Art Sozialstation“ – Das Core Tex wird 25

„25 years of dedication“ – die Kreuzberger Institution Core Tex Records, Home of Hardcore and Punk, feiert Jubiläum. Eine reife Leistung, wenn man bedenkt, dass die vergangenen Jahre mit ihren mannigfaltigen Umwälzungen im Musikgeschäft für klassische Plattenläden recht turbulent, oft sogar tödlich waren.

Insofern ist David Strempel, einer der drei Betreiber des Core Tex, nicht zu unrecht stolz darauf, es so lange geschafft zu haben, wie ich im Rahmen eines Interviews mit ihm für die aktuelle Ausgabe des tip erfuhr. Die Gründe für das verblüffende Stehvermögen: Nischenprodukte und eigene T-Shirtlinien, die Renaissance von Vinyl sowie nicht zuletzt der „ganz spezielle Kiez“ von Kreuzberg 36. „Wir sind nach wie vor so eine Art Sozialstation“, sagt Strempel, „ein Platz zum Abhängen, wo die Leute aus der Gegend ihr Feierabendbier trinken und sich ihre Lieblingsplatte wünschen können.“

Insofern ist es nur folgerichtig, dass das Core Tex an kommenden Freitag und Samstag seinen 25. Geburtstag in und mit jenem Kiez feiert. Im nur einen Steinwurf entfernten SO 36 gibt es, natürlich, tüchtig Hardcore und Punk auf die Ohren, mit Buddies wie den Troopers, Final Prayer oder den extra und nur für dieses Event reformierten Disrespect. Zudem spielen internationale Legenden wie die ebenfalls wieder vereinigten Judge aus New York auf. Glücklich, wer da noch ein Ticket ergattern konnte.

Alle, die leer ausgingen, haken sich gefälligst unter und singen Sham69s „If the kids are united“. Let’s go!

Reinigend – Die Deftones im Huxleys

Licht und Dunkelheit, Euphorie und Melancholie, Liebe und Aggression – keine andere Band versteht es derart meisterhaft, diese Extreme zu einem organischen Ganzen zusammenzufügen, wie die Deftones. Sie sind wütend und sehnsüchtig, direkt und wolkig-distanziert, und das alles so authentisch und unverwechselbar, dass sie nicht zu Unrecht schon seit langem zu den wichtigsten und respektiertesten Krawallmachern der Gegenwart gehören (mehr dazu auch im aktuellen tip).

Dick unterstrichen wird dies auch von ihrem aktuellen Streich „Koi No Yokan“. Erneut gehen hier knochentrockenes bis überhalliges Gitarrenspiel, zwielichtiger Gesang und unerhörte Schlagzeug-Grooves jene mächtige Allianz ein, die auf einer ganzen Gefühlsklaviatur zu spielen vermag.

Die am morgigen Dienstag, den 26. Februar stattfindende Show der Jungs im Huxleys zu Berlin ist daher schon lange ausverkauft, weil Pflichtveranstaltung. Das letzte Konzert zur „Diamond Eyes“-Tour war jedenfalls ganz großes Kino. Ich kann zum Glück wieder hin, hab leider aber auch kein Ticket über. Sorry…

Stühlerücken – Pothead im Huxleys

Frohes Neues! Erste Meldung im angebrochenen 2013 sind an dieser Stelle Pothead, die Motörhead Berlins: Gefühlt waren sie eigentlich schon immer da und dabei verlässlich wie ein Uhrwerk. In hektischen Zeiten wie diesen versprüht das Nestwärme und Geborgenheit. Nicht wenige Fans reagierten daher reichlich verstört, als sie sich unlängst damit auseinanderzusetzen hatten, dass Schlagzeuger Sebastian Meyer der Groove-Rock-Institution nach 18 gemeinsamen Jahren den Rücken kehrte.

Jetzt ist ein Neuer am Start. Nicolaj Godow heißt er und hat vorher zehn Jahre bei Knorkator gespielt. Witzigerweise ist Meyer wiederum bei eben jenen eingestiegen, quasi als Ersatz. Daraus ergibt sich eine Konstellation, die Gogow zwar als „hochemotional“ bezeichnet, Rosenkrieg ist trotzdem eher unwahrscheinlich. Dafür haben Pothead auch keine Zeit, schließlich gibt’s ja eine neue Platte namens „Jackpot“.

Alles weitere steht im aktuellen tip (Update: jetzt auch online), und wie viel Spaß die eher nur auf dem Papier neu formierten Pothead zusammen haben, lässt sich am 12.01. im Huxleys beim alljährlichen Berliner Heimspiel anschauen.

Gut gereift – War From A Harlots Mouth im Bi Nuu

Als 2007 das mit Metal, Hardcore und Jazz spielende Debüt von War From A Harlots Mouth um die Ecke kam, wurden die fünf Berliner noch als Internet-Hype belächelt. Zu hip war der Name, zu poppig das Artwork, zu groß die MySpace-Gefolgschaft.

Inzwischen haben sich WFAHM dank mehrerer starker Alben, einer Reihe an Split-EPs sowie unzähliger Touren zu einer respektablen Größe internationalen Formats gemausert (siehe auch mein Beitrag im aktuellen tip, online hier einzusehen). Am 30.12. spielen sie nun im Bi Nuu mit ihren Buddies von Final Prayer zur inoffiziellen Jahresabschlussparty der Berliner Hardcore-Szene auf – wider den Modetrends, für Attitüde und Egalität.

 

Edeltechniker und Siebziger-Fetischisten – Meshuggah und Graveyard in Berlin

Ja, was soll man zu Meshuggah eigentlich noch schreiben? Die Herren aus Umeå, Schweden sind eine Institution. Dank achtseitiger Gitarren klingen ihre Stakkato-Riffs wie bassige Motorsägen, dazu setzt es dissonante Soli, stoisches Gebell und aberwitzige Tempowechsel, alles vorgetragen in klinischer Präzision. Seit nun 25 Jahren schon verknoten sie auf diese Weise die Hörzentren dieser Welt und haben damit nicht zuletzt all die neuartigen Genres des Math- und Deathcore nachhaltig geprägt. Kommenden Samstag, den 8.12. spielen die Maestros nun in Berlin-City, im C-Club mit den ebenfalls sehr gewitzten Decapitated.

Graveyard sind dagegen fluffiger unterwegs. Auch wieder aus Schweden, allerdings aus Göteborg, DER Hochburg des Melodic Death Metal. Graveyard halten sich jedoch eher an den Sound Siebziger, etwa Black Sabbath oder Led Zep. Damit sind sie lange nicht so aufregend wie Meshuggah, aber Mitwippen zum siffigen Fuzz der Vier, das geht schon. In Berlin zum Beispiel am Mittwoch, den 19.12, ooch im C-Club.

Ach ja, bevor ich es vergesse: Ausführliche Infos zu beiden Konzerten gibt es natürlich auch wieder im aktuellen tip🙂 (Update: Meshuggah-Text ist jetzt online, Graveyard jetzt auch). Fülle Spaß!

Sanfte Satanisten – The Devil’s Blood im Festsaal Kreuzberg

Tod. Chaos. Satan. The Devil’s Blood aus Eindhoven definieren ihre Koordinaten klar und deutlich. Das Schöne an ihnen ist, dass sie trotzdem abseits gängiger Teufelsanbetungsklischees arbeiten. Ihre Musik ist kein rumpeliges Geschredder, sondern unverschämt eingängiger Psychedelic Rock. Sie inszenieren keine plumpen „Ich bin so bitterböse“-Kreischorgien, sondern breitet vielschichtig die Ergebnisse ihrer Dunkelheitsforschung aus. So opfert Gitarrist und Mastermind Selim Melouchi etwa dem Tod, jener „Macht der Unordnung“, sein Blut am heimischen Altar – als Dank für kreative Momente (Video hier).

Folgerichtig versteht er auch die Auftritte seiner Band als Rituale, gern von oben bis unten besudelt in klebrigem Rot. Am 2.12. ist dies im Festsaal Kreuzberg anzusehen. Weitere Infos gibt es im aktuellen tip Berlin – in gedruckter Ausgabe seit wenigen Tagen am Kiosk Eures Vertrauens nachzulesen, bald bestimmt auch online (Update: ja, Artikel ist jetzt online verfügbar). Ansonsten geht natürlich auch das hier:

Erhebend – Godspeed You! Black Emperor musizieren wieder

Die Post-Rock-Anarchisten von Godspeed You! Black Emperor sind zurück. „Alleluja! Don’t Bend! Ascend!“ lautet der programmatische Titel ihres ersten Albums seit einer Dekade. Sie sind rifforientierter geworden, beherrschen aber noch immer die Konstruktion sich aufbäumender Klangcollagen von Weltniveau.

Mehr zu dem bemerkenswerten Kollektiv habe ich auf Seite 75 im neuen tip Berlin geschrieben, der ab heute in den Kiosken ausliegt (Update: der Text ist jetzt auch online). Für die musikalische Untermalung während der Rezeption des Textes empfehle ich folgenden Stream der neuen Platte. Was sonst:)…