Gebrochene Deiche und überflutete Ortschaften, zerstörte Straßen und verwüstete Bahntrassen – wenn Flüsse über ihre Ufer treten, bedeutet das für die Betroffenen oft nichts Gutes. So wie im vergangenen Juni: Hunderttausende Menschen kämpften hierzulande an Donau, Elbe oder Mulde mit einem „Jahrhunderthochwasser“, Schätzungen zufolge gingen die Schäden in den zweistelligen Milliardenbereich. Eine Katastrophe von historischen Ausmaßen.
Inwiefern gilt dies auch für die Tier- und Pflanzenwelt? Werden Flora und Fauna bei extremen Überschwemmungen einfach fortgespült oder können sie mit solchen Ereignissen umgehen? Und wie verändern die Wassermassen die umliegenden Ökosysteme insgesamt?
Am Leipziger Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) beschäftigen sich Ökologen seit längerem mit diesen Fragen. Beispielsweise führten die Forscher infolge des Elbehochwassers 2002 Studien zu Vegetation, Schnecken und Laufkäfern durch. Die Hypothese war naheliegend: Eine starke Überflutung in einer sonst weitgehend trockenen Jahreszeit dürfte Pflanzen und Weichtiere aufgrund ihrer eingeschränkten Beweglichkeit stärker beeinträchtigen als die mobileren Käfer.
Umso überraschender gestalteten sich die Ergebnisse. So blieb etwa die Vegetation in Artenzahl und -zusammensetzung weitgehend stabil. Alles eine Frage der Überlebensstrategie: Einige Pflanzenarten haben sich an das Leben mit außerplanmäßigen Fluten angepasst, indem sie Unterwasserblätter ausbilden. Andere wiederum haben zuvor schon so viel Samen im Boden eingelagert, dass sie trocken gefallene Standorte als Pionierarten neu besiedeln können.
Im Fall der Schnecken fanden die Forscher in den Elbauen unmittelbar nach der Flut sogar 13 neue Arten – ein Anstieg zu den Vorjahren um mehr als ein Drittel. Verantwortlich hierfür war insbesondere der Eintrag von Wasserschnecken. Doch auch die an Land lebenden Spezies kamen gut mit den Überschwemmungen zurecht, etwa die seltene Ufer-Laubschnecke. Denn ahnlich wie Ameisen flüchten Schnecken bei Hochwasser an der Vegetation senkrecht in die Höhe, oder sie werden mit Treibgut in andere Lebensräume verdriftet.
Die Laufkäfer erwischte es dagegen auf dem falschen Fuß. Zwar können die meisten auenspezifischen Käfer schwimmen. Im August 2002 befanden sich jedoch eine Reihe von ihnen im Larven- oder Verpuppungsstadium. Ausgerechnet von den wasserliebenden Arten gingen so über 40 Prozent verloren, insgesamt verschwand rund jede vierte Spezies.
Allerdings sind Laufkäfer in der Lage, frühzeitig Pionierstandorte zu besiedeln und sich dann explosionsartig zu vermehren. Auf Dauer ist deshalb selbst nach starken Überschwemmungen eine Art „Ziehharmonikaprinzip“ zu verzeichnen. Soll heißen: Über kurz oder lang kehren die betroffenen Ökosysteme wieder weitgehend in ihren Ausgangszustand zurück.
Problematisch wird es jedoch, wenn eine Art nur noch über Restbestände verfügt, etwa in Folge von Eindeichungen oder intensiver Landnutzung. Seit dem Hochwasser 2002 sind beispielsweise die Falter des Ameisenbläulings aus den Wiesen bei Dessau nahezu verschwunden, weil seine Ausgangspopulation zuvor schon so klein war.
Unklar ist zudem bislang, welche Auswirkungen mehrere untypische Überschwemmungen hintereinander haben, weswegen am UFZ derzeit weitere Studien zum Thema laaufen.
Für die aktuelle Ausgabe des naturgucker Magazins habe ich all das ein wenig ausführlicher aufgeschrieben. Unter anderem steht dort, wie die heimische Vogelwelt auf starke Überflutungen reagiert. Soviel sei hier schon verraten: Einige profitieren, andere nicht. Welche das sind, kann man dieser Tage ja selbst am Kiosk nachlesen, hehe…